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Edelgard Struss

Nebenerwerbslandwirt

   Einunddasselbe Gespräch und bei uns im Kopp wird jedesmal ein Verhör draus. Wie Feldsteine ausgegraben die Wörter, wie vom Kirlen, bei den dortigen Steinäckern mühsam ausgegraben. Mit Hacke und Spaten. In Werkschuhen also. Eben noch dreißig Jahre jünger und auf dem Heimweg. Mit den Wörtern die Hoffnung auch heimgetragen, den hellen Tag, schwalbenflink, so kommt es uns vor. Und jetzt hier beim Tor stehen. Vor Müdigkeit wie betäubt. Hätten selbst noch aufs Feld heut gewollt. Uns ist, wir müßten uns einmal verloren haben. Vor vielen Jahren wohl schon. Sind einmal abends spät mit Hacke und Spaten da hinten auf dem Feldstück noch draußen gewesen, und müssen das Feierahmdsläuten scheints überhört haben. Wie oft will uns vorkommen, dass der Gemeindediener darauf auch vergißt. Wir dem Tag hinterdrein weiter so vor uns hin gewerkelt, gemurmelt, gegraben, gehackt, immer tiefer uns darüber hingebückt. Bis wir kaum noch die Hand vor den eigenen Augen, beide Hände, Hacke und Spaten auch, den Acker ja auch, das Feldstück, ihs Laad, sozusagen den Erdboden unter den Füßen kaum noch zu sehen vermochten; dann müd in der Dämmerung heim, Schritt für Schritt. Müd in Werkschuhen so gegangen. Hinten beim Zaun den Grasweg entlang, da ist so eine Heckenwildnis. Hagebutten und Beeren und Schlehen und vielerlei Baumgewirr, dicht und verwachsen; es ist hierorts im Oktober gewesen. Da bellen abends vom Dorf her die Hunde und sind dann wieder plötzlich still, wie Teiche liegen die Nebel auf den Wiesen. Und da ist uns über der Hecke groß und gelb der seinerzeitige Mond aufgegangen. Erst halb nur und beinah wie angebissen der Mond und doch auch wie ein Goldklumpen, unverhofft so eine Pracht. Und wir standen mit Herzklopfen unwillkürlich, Hacke und Spaten geschultert, standen ahnungslos, so allein. Wußten nicht gleich, was das sein mag, was uns da hinter der Hecke so leuchtend und groß heraufkommt. Mit seiner eigenen Stille, mit wie einem Blick in der Stille. Vielleicht daß wir da uns vergessen hätten, zurückgelassen, und wie spät mag es da wohl gewesen sein? Zu lang gewartet: nachdenken, stehen und frieren; die meiste Zeit Abend. Wir sind es, stünden dort klein in der Ferne: wir spüren den Strick, wir sehen uns stehen, eine kleine dunkle Gestalt, und wir möchten gern winken. Wie denn umkehren? Wie Zaunlatten, Pfosten und Wegpfähle sind für uns die Wuhrheiten und Irrtümer aufgestellt und dazwischen verläuft unser Leben; sie stehen, sie wechseln die Plätze und haben Gesichter.

 
S. 494 - 495 aus: Peter Kurzeck, Kein Frühling. Roman, © Stroemfeld Verlag Frankfurt am Main, Basel 2.2007
Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags: www.stroemfeld.com