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Edelgard Struss

Pensionär

Des Menschen Kopf, von Arbeit schwer,
denkt oft: ach, wär’ ich Pensionär.
Dann wär’ mein Schreibtisch endlich leer
und ich hätt’ keine Sorgen mehr.
Da irrt er, leider, ziemlich schwer.

Kaum träumt er noch von schönen Reisen
und hofft auch, nicht gleich zu vergreisen,
da zwickt es hier, es schwillt das Knie,
und überhaupt so irgendwie
fühlt er sich plötzlich ziemlich schlapp,
auf Kölsch zu sagen: von der Kapp.

Er hat jetzt Zeit für all sein Leid,
kriegt dann vom Hausarzt den Bescheid,
dass, weil ihm nun die Arbeit fehlt,
Herz, Magen, Leber sind verdreht.
Es sei für Therapie zu spät,
wenn er nicht wieder jobben geht,
denn wenn er weiter Däumchen dreht,
sein Leben bös zu Ende geht.

Das sagt der Dummkopf, gar nicht schlau,
seiner noch sehr aktiven Frau.
Die macht ihn schlangengleich zur Sau:
Vom Nichtstun, putzt sie ihn herunter,
wer’n höchstens Orientalen munter.
Drum folg dem Doktor, sei nicht stur,
gib Deinen Tagen ’ne Struktur.

Du stehst jetzt auf um 7 Uhr 3o,
holst Brötchen vom Bäcker, flott und fleißig,
dann kochst Du Eier und machst Tee,
damit ich um 8 mein Frühstück seh’.

Danach wird zügig abgetischt
und erstmal gründlich Staub gewischt.
Später kommt die Wäsche dran,
damit ich ruhig lesen kann.

Lang ist die Liste all der Pflichten,
die ab sofort Du musst verrichten.
Es bleibt Dir schlichtweg keine Zeit
zu klagen über Schmerz und Leid.

Der Doktor schreibt Dich nicht mehr krank,
Du hast ja Arbeit, Frau sei Dank.
Hast Dir’s zwar anders vorgestellt,
doch schnell zerbricht der Träume Welt:
Die Muße, das ist keine Frage,
ist eine schlimme Rentner-Plage.

Zum Glück gibt’s andre Gegenmittel
als den blauen Haushaltskittel,
wie wäre es mit einem Titel?
An jeder Universität
gibt`s Doktorhüte noch sehr spät.

Und auch in manches Ehrenamt
hat sich der Rentner schon verrannt,
dann fühlt er sich als edler Spender
und voll ist sein Terminkalender.

Inzwischen läuft das Leben weiter,
dem Ende zu, mal ernst mal heiter,
wie man auch werkelt, spielt und schafft,
es schwindet mählich alle Kraft
und man tut nun mit gutem Grund
dem Doktor Altersleiden kund.

Arno Christiansen 2008 (unveröffentlicht) – Abdruck mit freundlicher Genehmigung